Der reinste Wahnsinn. Die Mischung dort ist einfach abgefahren wenn man erst einmal angekommen ist und eine schimmelfreie Nacht wird verbringen können. Schon zu diesem Zeitpunkt dachte ich, ich hätte meine Portion China für 2 Wochen gehabt. Doch das war nicht alles: Ich zog noch am Abend durch die Nacht, soweit die Füße trugen. Es dauerte durchaus bis zum nächsten Tag, ehe ich Macaus Schimmel-Image bei mir teilweise revidiert hatte. Ich habe mir Macau ja anders vorgestellt. Aber das ist ja immer so, dass man sich besser keine Vorstellung macht.
Macau liegt zunächst am gegenüberliegenden (Hongkong) Ufer des Perlflussdeltas und besteht aus einer Landzunge, auf der das Zentrum liegt und zwei weitere Inseln im Süden. Die Erste ist via 3 Brücken angebunden und par Landgewinnung zwischen den beiden Inseln werden sie bald zu einer Insel. Wie in Hongkong und wie nicht in China wird in Macau links gefahren. Der öffentliche Verkehr wird recht gut durch Busse geregelt und soll zukünftig um eine Insel übergreifende U-Bahn ergänzt werden. Klingt so ordentlich, ist in Wirklichkeit aber viel chaotischer:
Meine erste Erkenntnis galt dem Geld. Glücklich, alle HK$ restlos ausgegeben zu haben wollte man bei erster Gelegenheit genau diese haben. Keine macanesischen Pataca. Da der Kurs HK$:MOP 100:107 ist und zudem MOP keine konvertible Währung ist, nimmt man überall genauso HK$, gibt aber bevorzugt Patacas heraus. Also galt es beim nächsten Automaten HK$ zu ziehen (Abbuchung als HKD mit MOP-Kurs!!!).
Wenn man von dem Fährterminal kommt, fallen einem die monströsen Kasinobauten auf dem neugewonnenen Land als erstes ins Auge. Mit meinem finalen Hotel war ich am rande der Altstadt. Je nach Alter der Bauten bewegt man sich zwischen chaotischem 4-Stöckigen Betonhäusern mit engen Kabelüberspannten Gassen (wie in Bangkok) oder in einer ziemlich europäischen Altstadt (wie in Portugal). Teils hübsche Schwarz-Weiß-Pflasterungen. Je nach Gegend gemischt mit neutral/wohnen, chinesische Souveniershops oder den globalen Einkaufsboutiken. Enige gut befahrene Straßen führen quer durch die Altstadt auf eher schmalen Wegen. Möchte man, aus einer Gasse kommend, eine solche Straße überqueren gibt es keine Ampel, keinen Zugang. Stattdessen erhebt sich neben einem eine Rolltreppe auf, die auf eine querende Brücke führt – mehrfach. Die Kombination Rolltreppen, Altstadt auf der einen und Chaosbau auf der anderen Seite ist bizarr.
Mitten drin ist ein Friedhof, auf dem sich multikulti chinesische und christliche Gräber abwechseln. In der Kapelle in der Mitte werden Leute aufgebahrt. Unweit davon befidet sich eine andere Oase der Ruhe: Ein japanischer Garten. Vor Abreise der Portugiesen noch mal frisch hergerichtet mitsamt dem auf demselben Grund stehenden Haus, das als Galerie chinesischer Schreibkunst verwendet wird. Weiter Richtung chinesischer Grenze ist zunächst wieder portugiesisch chinesicher Chaosstil ehe sich ein Berg mit Garten erhebt. Eine Seilbahn führt hinauf. Oben gibt es einiges Kriegsgerät und Facilitäten, die allerdings nie benutzt wurden. Man hat von hier einerseits einen redlichen Blick über die Dächer der Stadt, aus denen besonders das Grand Lisboa heraussticht und andererseits gen China. Zwischen der Grenze und der Altstadt breiten sich wie in Hongkong leicht jüngere Stadtteile im Hochhausstil (15-25 stw.) aus. Arbeitet man sich durch die Altstadt in der richtigen Richtung durch, landet man bei chin. Herrenhäusern und Tempeln, die auf der anderen Straßenseite von einem auf historisch gemachten nagelneuen Casino mit Großdisplay in der Fassade kontrastiert werden.
Fortkommen kann man meistbietend zu Fuß, soweit es nicht um andere Inseln geht. Kommt man doch mal außer Atem und zufällig mal ein Taxi vorbei, schafft das relativ günstig Erleichterung. Noch günstiger sind Busse doch deren Route ist bei der fast fehlenden Betafelung ein Vabanquespiel. Trotzdem fand ich mit diesem Bis zur „Portas do Cerca“, der chinesischen Grenze. Zur rechten Zeit ist dort ein Gewusel sondergleichen – ein reger Grenzverkehr. Das historische Tor steht noch, geht allerdings unter in einem riesigen Abfertigungsgebäude über dem unterirdischen Busbahnhof. Sehr viel Chinesischer als im Stadtteil vor dem Tor ist es dahinter wohl auch nicht.
Macau ist seit 1999 an China gefallen und auch hier gilt das Prinzip „Ein Land, zwei Systeme“. Es ist also auch hier das Demonstrieren erlaubt, was man denn am Tage des Tienamen-Desasters auch prompt tut. Taiwanesen haben mir ein wenig übersetzt während am Kirchplatz vor dem Starbucks eine Dokumentation zu dem Massaker stattfand. Justament vor der Rückgabe haben die Portugiesen noch ein „Museo de Macau“ auf dem zentralen Berg mit dem Fort errichtet. Einerseits natürlich um das zu liefern, was ein Muss für jede Stadt ist und andererseits um sich selbst noch entsprechend darzustellen. Wenn es mal nicht regnet führen von dort oben Rolltreppen hinunter auf die Höhe des Wahrzeichens von Macau, die Paulskirche, von der nur mehr die Fassade übrig ist. Anstelle des Kirchenschiffs ist eine Fläche mit Schaufenstern in den Boden. Weiter hinten ist ein Minimuseum, in welchem man sakrale Gegenstände sowie die Reste der Krypta bewundern kann. Rechts daneben ist ein chinesisch-buddhistischer Tempel und links werden Regenschirme feilgeboten. Der Weg hinauf aus der Altstadt ist fein und gesäumt von chinesischen Souvenierläden, die freizügig Proben kandierten Schweinefleischs verteilen und sonstigen Schweinekram verkaufen. Jau.
Wird es Nacht, beginnen die Casinos bunt zu leuchten und zu blinken. Natürlich habe ich mir deren Innenleben angesehen. Gigantisch. Innen offenbart sich chinesische Herangehensweise. Klar sind sie einige Mehr aber das ist Massenabfertigung. Fährt man einige Etagen die unzähligen Rolltreppen hinauf, ergießt sich ein Meer aus Spieltischen. Je nach Zeit mehr oder weniger Besetzt. Es wird meistbietend eine Würfelvariante von Roulette gespielt – auf Glastischen, die die alle erdenklichen Kombinationen darbieten und die Gewinne auch gleich leuchtstark signalisieren. Das macht es für beide Parteien einfach. Günstig Essen ist im Casino aber nicht. Der Chinese ist eben nicht so anspruchsvoll und sowieso viel zu spielsüchtig, als dass er derart gelockt werden müsste. Das aus Las Vegas stammende Sands Casino ist noch am professionellsten und angenehmsten für Westler, wenngleich auch hier Tischmeere und ein Spezialsalon um den anderen sich ergießen. Hier hat man wohl auch Baulich auf etwas erfahenere Leute zurückgegriffen, derweil in anderen Casinos wie dem Grand Lisboa schon stellenweise der Putz wieder herunterkommt. Und im unterirdischen Einkaufszentrum des Phoenix Casinos ist noch nicht eingezogen, da schimmelt es schon. Ob im Hotel oder Casino – man bemüht sich, macht aber dumme Fehler. Zum schweizerischen Unterstatement ist ein Himmelweiter Unterschied.
Zu Essen findet man immer günstig etwas. Und meine Portion chinesisch habe ich inzwischen mehr als bekommen. Den Vogel abgeschossen hat aber die Wirtin in einem zufälligen Chinalokal. Also die Dinger mit schäbigen Tischen und hängendem Getier. Und das ging so: Ich bestellte also, schon seit 2 Stunden hungrig, irgendwas mit Schweinefleisch und zuvor versehentlich noch etwas anderes. Mit Händen und Füßen war es mir nur unter Einsatz äußersten Geschicks möglich das erste Gericht vom Zettel zu bekommen. Geliefert wurde dann ein Teller Reis mit großen Fleischstücken darauf + Stäbchen. Ich besorgte mir Besteck (Plastik :-[). Als sie erneut vorbeikam konnte ich durch geschickte Mimik zu erkennen geben, dass die Kombination Stäbchen + große Fleischstücke nicht ganz koscher ist. Sie verstand und verschwand. Nicht ahnend was folgen würde, stand sie einige Momente später mit einer Schere vor mir und war fast dabei, vor mir auf meinem Teller die Fleischstücke in Häppchengröße zu zerkleinern. Doch gelang es mir abermals, mit teils heftiger Gestik, sie von diesem Unterfangen abzuhalten. Ich stillte noch meinen Hunger und verließ wortlos das Etablissement.
Macau ist der Wahnsinn und noch viel vielfältiger und kontrastreicher als ich das hier darlegen konnte, weswegen es auch lange gedauert hat. Auffällig ist die Anzahl der Rolltreppen, die teils Moderne und die schiere Zahl an Kameras.